Polizeidirektor Stang entlockt Söring eine weitere peinliche Täuschung
Auf eine einfache Frage hin ändert Söring seine Geschichte noch einmal.
Das neue Buch vom Polizeidirektor a.D. Siegfried Stang ("Nebelkerzen") ist sehr interessant. Es enthält nicht viel Neues, aber Stang hat oft eine interessante Perspektive auf Bekanntes. Manchmal aber gelingt ihm auch ein richtiger Knüller, vor allem, wenn er Söring bittet, zu verschiedenen Aspekten des Falles Stellung zu nehmen.
Söring versucht, einen Polizeibeamter zu gewinnen
Söring hat nämlich mit Stang gerne zusammengearbeitet. Offensichtlich dachte Söring, dass sein Umgang mit Stang ähnlich mit amerikanischen Polizisten wie Chuck Reid oder Chip Harding verlaufen würde: Söring würde Stang mit einem „Gish Gallopp“ von Argumenten für seine Unschuld überhäufen, und Stang würde erkennen, dass Söring ein Jusitzopfer ist und sich Team Söring anschließen. Söring ist nämlich bestrebt, die Unterstützung deutschsprachiger Experten und Polizeibeamter zu gewinnen, da sich die Bühne nun nach Deutschland verlagert hat. Daraufhin gewährte Söring Stang ein Interview und beantwortete Fragen, in der Hoffnung, einen deutschsprachigen Polizeibeamten auf seine Seite ziehen zu können. Das wäre ein echter Coup gewesen!
Doch so kam es nicht. Stang ist vorsichtiger und gründlicher als Reid oder Harding. Er stellte Söring gezielte, kritische und gut informierte Fragen. Und weil Söring ihn überzeugen wollte, antwortete Söring. Aber wie immer, wenn ihm kluge Fragen zu seinen Unschuldsbeteuerungen gestellt werden, stolpert Söring und gibt mehr zu, als er beabsichtigt.
Hier ein Beispiel: In „Nebelkerzen“ gibt Stang einen kurzen E-Mail-Austausch zwischen ihm und Söring ab:
Meine Frage: Gibt es eine Erklärung dafür, dass zwischen dem 1. August 1989 (Entscheidung der englischen Regierung) und dem Prozessbeginn kein Geständniswiderruf erfolgt ist?
Seine Antwort: Selbstverständlich! Die Erklärung ist ganz simpel: Es gibt gar nicht so etwas wie ein(en) „Geständniswiderruf“. Zumindest in Amerika nicht. (Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es so etwas in Deutschland gibt.) Selbst wenn man so etwas machen würde, hätte es gar keine juristische Relevanz. Denn wenn man einmal gestanden hat, ist alles, was danach kommt … eigentlich uninteressant. Ich habe meinem US-Anwalt sobald wie möglich, nach der Entscheidung des EGMR am 7. Juli 1989, gesagt, dass ich unschuldig sei. Das hat er alles aufgeschrieben. Selbstverständlich hat er das NICHT der Polizei in Bedford County gesagt. Warum auch? Das hätte die Verteidigungsstrategie frühzeitig preisgegeben. Als Strafver-teidiger war er daran interessiert, die Polizei und Staatsanwalt-schaft solange wie möglich in Unsicherheit zu lassen, welche Strategie er verfolgen würde.
Es gibt da eine Menge auszupacken, aber das wird Spaß machen. Man beachte zunächst Sörings kategorischen, absoluten Sprachduktus - "Natürlich!" und "NICHT" großgeschrieben Es kann Anzeichen einer Täuschung sein, wenn man zu bemuht ist, seinen Gesprächspartner zu überzeugen. Auch berichtet er, sein Anwalt habe "das alles aufgeschrieben". Es wäre sicher interessant, diese Behauptung zu überprüfen. Söring könnte uns dies durch Unterzeichnung einer einfachen Verzichtserklärung auf das Anwaltsgeheimnis ermöglichen.
Stillschweigendes Schuldeingeständnis
Zum Inhalt des Statements von Söring stellt Stang fest, dass dies ein weiteres implizites Schuldeingeständnis ist: Wäre Söring tatsächlich unschuldig, hätte er dann allen Grund gehabt, seine Unschuld zu beteuern und die Polizei von Bedford County zu drängen, seinen Behauptungen nachzugehen. Er hätte gewollt, dass sie die Aufzeichnungen des Marriott-Hotels durchforsten, mit jedem möglichen Zeugen sprechen, jeden Kinobesucher befragen, die örtliche Videoüberwachung durchsuchen, die ihn zur Tatzeit in Washington, D.C., herumlaufen zeigen konnten, und Labore bitten, jedes Beweisstück erneut zu analysieren. Auf dieses Argument wird Söring natürlich antworten - er hat immer eine Antwort parat -, dass Bedford County damals bereits entschieden habe, dass er schuldig sei und dementsprechend seine Unschuldsbeteuerungen einfach abgetan hätte. Wenn nichts anderes mehr geht, greift Söring die Motive und die Ehrlichkeit der Leute an, die ihn hinter Gitter gebracht haben.
Söring achtet auf meine Einlassungen zum Fall
Aber Stangs Enthüllung hat tiefer liegende Facetten. Zunächst einmal beweist die, falls es noch eines Beweises bedurft hätte, dass Söring allem, was ich über den Fall sage und schreibe, große Aufmerksamkeit schenkt. Bevor ich mich einmischte, sprach Söring immer davon, dass er seine Geständnisse "widerrufen" habe und dass damit das Verfahren gegen ihn hätte eingestellt werden müssen. Doch die Behörden ignorierten die vermeintlich offensichtlichen Anzeichen dafür, dass seine Geständnisse falsch waren, und fuhren trotzdem fort! Dies war sogar das Kernstück seines Arguments, warum er seine Geständnisse nicht widerriefen, bevor der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sein Urteil verkündete: „Wenn ich (1) meine Geständnisse widerrufen hätte, (2) wäre der Fall gegen mich zusammengebrochen, (3) wäre ich nicht mehr von der Todesstrafe bedroht gewesen, und (4) hätte das Gericht folgerichtig keinen Anlass mehr, über den Fall zu entschieden.“ Wie ich bereits festgestellt habe - Stang sieht es genau so - ist dieses Argument inkohärent und in sich widersprüchlich.
Nachdem ich Söring darauf hingewiesen hatte, dass der "Widerruf" eines Geständnisses keine rechtliche Bedeutung hat, änderte Söring seine Darstellung. Vermutlich hat er ein wenig recherchiert und festgestellt, dass das, was ich gesagt habe, stimmt (wie fast immer, hoffe ich). Daraufhin erkannte er, dass sein Publikum auch in der Lage ist, diese einfache Frage zu googeln. Also änderte er seine Geschichte auf subtile Weise und räumte nunmehr ein, dass der Widerruf eines rechtlich erlangten Geständnisses rechtlich irrelevant ist. Wenn eine Person, die bei klarem Verstand ist, aus freien Stücken ein Geständnis ablegt, nachdem sie über ihre Rechte belehrt wurde, gilt dieses Geständnis für immer als Beweismittel, ganz gleich, wie sehr der Angeklagte es bereut, gestanden zu haben. Mit anderen Worten: Söring befolgte meinen Rat und hörte auf, dieses absurde Argument vorzubringen. Gern geschehen!
Wieder einmal ändert Söring seine Geschichte
Kommen wir nun zum eigentlichen Problem dieser E-Mail: Sie ist offensichtlich eine Täuschung. Denn Ende 1989 und Anfang 1990 bestand Sörings Verteidigungsstrategie nicht in einem falschen Geständnis/Alibi. Seine Strategie war zu behupten, dass er durch die Drohungen von Kenneth Beever unrechtmäßig zu einem Geständnis gezwungen wurde. Als Söring am 2. März 1990 während der Vorverhandlung in den Zeugenstand trat, deutete er nie an, dass seine Geständnisse falsch waren. Er sagte, er sei gezwungen worden, sie abzulegen, weil Beever gedroht hatte, Elizabeth Haysom etwas anzutun, falls Söring nicht auf sein Recht auf einen Anwalt verzichte und gestehe. Diese Verteidigungsstrategie scheiterte, als der Richter feststellte, dass Söring gelogen hatte und es keine Beweise für etwaige Drohungen gab.
Erst dann entschied sich die Verteidigung, zur juristischen Notreserve zu greifen: Das Geständnis von Söring wäre falsch, und Elizabeth habe die Morde tatsächlich begangen! Sogar in den lokalen Zeitungen wurde darüber berichtet Wie ich am 16. August 2020 in meinem alten Blog schrieb, veröffentlichte die Roanoke Times am 1. April 1990 (also ca. 1 Monat nach Sörings Falschaussage vor Gericht) einen Artikel mit dem Titel "Soering wird möglicherweise versuchen, die Schuld von sich zu weisen":
Die Anwälte von Soering haben ihre Strategie noch nicht erläutert. Sie haben jedoch eine mögliche Theorie angedeutet, die sie zu argumentieren versuchen werden: Dass Elizabeth Haysom - nicht Soering - ihre Eltern getötet hat.
Auf den ersten Blick mag diese Theorie für die Geschworenen schwer zu schlucken sein.
Wenn Söring also sagt, er habe sein Geständnis nach dem EGMR-Urteil vom Juli 1989 nicht widerrufen, weil er seine “falsches Geständnis/Alibi”-Strategie nicht verraten wollte, so kann das nicht stimmen, denn zu dieser Zeit existierte diese Strategie gar nicht. Die Strategie seines Verteidigungsteams bestand von Juli 1989 (vielleicht noch früher) bis zum 2. März 1990 darin, zu behaupten, dass seine Geständnisse erzwungen und nicht freiwillig waren - aber nicht, dass sie falsch waren. Falls Sie diese Aussage überprüfen möchten, habe ich Sörings Aussage hier protokolliert (leider vorerst nur auf Englisch).
Wir verdanken Siegfried Stang die Nachricht von dieser jüngsten Änderung der Geschichte von Jens Söring. Während ich das Buch lese, werde ich Sie über weitere interessante Details informieren.
Zusammenfassent kann man sagen, dass es die gleiche Geschichte ist: Sobald eine von Sörings Behauptungen bröckelt, ersetzt er sie stillschweigend durch eine andere, weniger überzeugende Behauptung. Sobald die neue Geschichte wiederum in sich zusammenfällt, ersetzt er sie stillschweigend durch eine andere, noch weniger überzeugende Geschichte. Und so weiter und so fort, bis kein Fitzelchen Glaubwürdigkeit mehr übrig ist. Es ist ein schlechtes Zeichen, dass dies bis vor kurzem noch kein Journalist bemerkt hat.
Guten Morgen Herr Hammel, letztes Jahr bin ich durch Zufall auf die Serie "Der Fall Söring- Tödliche Leidenschaft" gestoßen. Seitdem lässt mich das Thema nicht mehr los... ich habe fast alles verschlungen, was öffentlich zur Verfügung steht, einschließlich den Terry Wrigth Bericht und alle Podcasts in deutscher Sprache.
Nun bin ich kurz davor, das Buch von PD Stang zu kaufen....frage mich aber:
Wo wird der Unterschied zu ihrem Buch (wenn es in deutscher Sprache erscheint) liegen? Haben Sie grundsätzlich andere Ansätze (wovon ich nicht ausgehe)?
Ich weiß nicht, was mich sosehr an diesem Fall interessiert, noch nie ist es mir so gegangen....was hat dieser Mensch , so denke ich oft, dass er so viele Menschen in seinen Bann ziehen kann? Nun, als Küchenpsychologin würde ich sagen: ein echter Narzisst.
Über eine Antwort würde ich mich freuen und weiter so!
Einen schönen Tag für Sie und ein Erfolgreiches 2024.
Zunächst möchte ich hervorheben, dass dieser Post sehr interessant ist und schlüssig zeigt, dass Söring immer wieder seine Lügen modifiziert, wenn ihm Einwände Dritter klarmachen, dass seine vorgeschlagenen Thesen oft wenig brauchbar sind, oder deutlicher, sie sind bullshit.
In diese Reihe gehört meines Erachtens nach auch folgendes: Vor dem Buch Nebelkerzen von Stang hat Söring nie erwähnt, dass es ein Fehler in seinen Geständnissen sei, wo und wie er von Derek H. gegen eine Wand geschubste worden sei. Ich setze die Episode als bekannt voraus. Stang äußert sich dahingehend, dass Söring mit seiner Beschreibung Lügen erzählt (wie fast immer), da die mögliche Wand eher eine Nische ist und dort eine Truhe stand. Söring wollte wohl mildernd darstellen, wie Derek’s körperliche Attacke gegen ihn erst dazu geführt hat, dass er (Söring) durch Provokation den Verstand verloren hat. Erst nach Stangs Buch erzählt Söring in seinem lächerlichen Video „Täterwissen“, dass seine Erzählung ja offensichtlich gelogen gewesen sein muss, weil da ja die Truhe stand und so weiter.
Söring greift die Enttarnung seiner Lügen auf und verflechtet Argumente neu, um seine Lügen plausibler zu machen.